Im Verlauf der Projektbearbeitung hat sich die klimageographische Prognose der Etablierungschancen gebietsfremder Arten als angewandte Arbeitsmethode der Geobotanik etabliert. In den letzten 20 Jahren wurden allerdings nur etwa 15-20 derartiger Studien für meist einzelne Arten in internationalen Zeitschriften publiziert (u. a. Chicoine et al. 1985, Panetta & Mitchell 1991, Scott & Panetta 1993, Sindel & Michel 1992, Beerling et al. 1995, Zalba et al. 2000, Curnutt 2000, Baker et al. 2000 [review], Holt & Boose 2002, Welk et al. 2002, Peterson 2004, Welk 2004, Thuiller et al. 2005, Castro et al. 2005). Im Vergleich zu Anwendungen unter dem Aspekt des globalen Klimawandels tragen derartige Versuche also immer noch den Charakter von Pilotprojekten.

Dementsprechend bestehen immer noch Vorbehalte gegen klimabasierte Ausbreitungsprognosen neophytischer Pflanzenarten, weil in Einzelfällen Abweichungen von realen Ausbreitungsmustern feststellbar waren. Wenn eine neu eintreffende Art aus einem geografisch begrenzten, klimatisch einheitlichen Gebiet stammt, kann es vorkommen, dass in weiträumigeren, klimageographisch heterogeneren Gebieten neue Klimabereiche besiedelt werden, deren Besiedelbarkeit nicht vorhersehbar war. Die im Projekt gewonnen Erkenntnisse zeigen aber, dass unvollständige Arealdaten oder starke anthropogene Einflüsse oft eine größere Rolle spielen.

Besonders die meist erfolglosen Versuche, aus Merkmalskombinationen und Klimadaten genaue Vorhersagen zu Invasionsprozessen zu treffen beruhen darauf, dass stochastische Einflüsse verschiedenster Art Invasionsprozesse zu Einzelereignissen machen (Thuiller et al. 2006). So werden die Überlebenschancen von Populationen stark durch das umgekehrt proportionale Verhältnis zwischen der lokalen Extinktionsrate und der Populationsgröße beeinflusst.

Kultivierung in Garten-, Forst- oder Landschaftsbau setzt die Wahrscheinlichkeit stochastischer Extinktionsereignisse stark herab und schafft künstlich große Populationen. Durch Anpflanzung und Kultur können diese neophytischen Populationen einerseits kritische Phasen überleben, andererseits werden empfindliche Entwicklungsstadien wie Keimung und Keimlingsetablierung umgangen. Dass anthropogen geförderte Arten ihre potentiell klimatischen Amplituden teilweise überschreiten können ist also kein Beweis für einen generellen Methodenfehler.

Besonders diejenigen Studien, die Gesamtareale zur Modellbildung einsetzten und sich nicht auf Teilareale oder noch im Ausbreitungsprozess befindliche Populationen beschränkten, konnten gute bis sehr gute räumliche Prognosen erzielen. Vor allem die Studie zu Fragestellung 2 (Welk & Schubert, 2003) konnte als erster quantitativer Test an über 30 Arten beweisen, dass sich die Mehrzahl neophytischer Etablierungen in Gebieten hoher Klimaübereinstimmung mit den Heimatarealen befinden. Hieraus ergeben sich wichtige Anwendungsperspektiven. Einerseits ist es bei sorgfältiger Erfassung der Heimatarealdaten und aller bisherig erfolgreichen neophytischen Etablierungen möglich, das Etablierungspotential neu eintreffender Arten in begrenzten Zielregionen mit guter Sicherheit zu prognostizieren und andererseits besteht die Möglichkeit, für eine bestimmte Region Quellgebieten oder Herkunftsgebiete potentieller Neophyten zu bestimmen. Erst danach wäre es sinnvoll, die Arten der Floren dieser Herkunftsgebiete nach potentiell Invasionen ermöglichenden Merkmalskombinationen zu analysieren.

Eine extrem wichtige Folgeuntersuchung wäre in diesem Zusammenhang die deutsche Neophytenflora nach ihrer klimatischen Eignung zur Ausbreitung in Deutschland zu klassifizieren um die jeweils Erfolg bedingenden Merkmalskombinationen herauszuarbeiten.